Erlösung

6×17 / 6×18 – The End

Beginn des ersten und letzten Arbeitstages

Das war’s nun also. Schluss! Aus! Vorbei! Das Ende von LOST ist nicht viel anders, als die Show als solches… Verwirrend, Streitbar, Frustrierend und Befreiend gleichzeitig, sowie natürlich hochgradig diskutier- und interpretierbar. Die Wellen schlagen hoch, von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ sind alle Meinungen vertreten und alles erlaubt. Es liegt, wie immer im Auge des Betrachters und an den persönlichen Erwartungen an die Lösung der Serie. Die ist natürlich nicht eindeutig ausgefallen, sondern stellt mit metaphysisch-philosophischen Gedankengängen die Serie zum Ende noch mal auf eine neue Stufe. Ob man es nun mag oder nicht, aber die Macher der Serie sollten hinterher nicht sagen, sie hätten es nicht kommen sehen. Denn die Entscheidung, sich im Finale komplett den Figuren und deren Charakterlösung zu widmen und dabei sämtliche noch offenen Fragen und Wissenslücken der Interpretation des Zuschauers zu überlassen, ist schon eine krasse. Das sorgt für einen ganz eigenen Grundtenor des Finales. So viel zu erzählen und so wenig Platz. Wo fängt man beim Ende an? Vermutlich bei dessen Anfang.

Duell der Blicke

Die Fronten sind verhärtet und die Ziele sind klar. Alles trifft sich bei der sagenumwobenen Quelle. Jack als neuer Insel-Chefverwalter macht sich mit Hurley, Sawyer und Kate auf dem Weg, Desmond zu holen, Jacobs letzter großer Trumpf im Ärmel. Und auch Smocke ist hinter dem sympathischen Schotten hinterher. Er muss aber feststellen, dass ihm da schon jemand zuvor gekommen ist. Bei diesem jemand handelt es sich um Rose, Bernard und den ollen Vincent, welchen wir sympathischerweise mal wieder zu Gesicht bekommen. Das pazifistische Rentnerpärchen wird einfach nicht in Ruhe gelassen, so scheint es. Kurze Zeit später taucht nämlich Smokey auf und bedroht die beiden, um Desmond zu zwingen, sich ihm anzuschließen. Gesagt, getan! Alle wissen, was zu tun ist. Desmond soll die Insel zerstörren, das will zumindest der Man in Black. Jack will Desmond als Waffe einsetzen, Smokey ein für allemal aufzuhalten. Der spontane Plan beruht wohl darauf, dass Jack aus dem Bach der Erkenntnis einen kräftigen Schluck genommen hat. Sawyer weist auf den langen Trickbetrug hin, den anscheinend bereits Jacob schon in der Hinterhand hatte. Oder auch nicht. Jedenfalls findet Jack, ob alleine oder nicht, sein persönliches Loophole, von dem Smokey in seiner blinden Wut nichts zu ahnen scheint. Man trifft sich zum High Noon und marschiert nun gemeinsam zum Zentrum der Insel. Jack, Locke und Special-Desmond machen sich nun gemeinsam auf, ihr Schicksal zu erfüllen. Der Rest kümmert sich dann wohl eher ums eigene Überleben. Miles und ein immer noch recht putzmunterer Richard verfolgen weiterhin ihren Plan von der Flugzeugsprengung, zumindest solange bis die beiden auf der Überfahrt Richtung Hydra auf den quicklebendigen, im Wasser treibenden Frank Lapidus treffen. Keine U-Boot-Tür dieser Welt kann den Mann aufhalten! Gut zu wissen, denn immerhin ist er der einzige, welcher das noch intakte Ajira Flugzeug fliegen kann. Was’n Zufall aber auch! Desmond nimmt seine Aufgabe, von der erstaunlicherweise anscheinend genau weiß, was sie beinhaltet, ohne Widerrede an. Angst hat er immer noch nicht, denn er hat die andere Seite gesehen und somit den einzig wirklich großen Twist dieses Finales durchschaut.

Ohne Worte...

Nichts mit Paralleluniversum oder gedankenmanipulierter Zukunft… die Flash-Sideways sind das Ende! Oder vielmehr die Zwischenstufe auf dem Weg dahin? Ich hab hier schon mal den Begriff „Nirwana“ vor ein paar Wochen in den virtuellen Raum geworfen. Man kann das alternativ auch Jenseits, die andere Seite oder auch neudeutsch „Afterlife“ nennen. Starker Tobak, der gar nicht so stark ist, wenn man die Zeichen richtig deutet. Ich meine, haben wir uns nicht alle über die permanenten Zufälle gewundert, bei denen sich in dieser Welt die Losties über den Weg rennen oder mit allerhand Selbstzitaten um sich werfen? Die Welt ist halt kein Dorf, sondern letztendlich die Manifestation unserer Erinnerungen. Und Desmond hat es gecheckt, weil er die andere Seite gesehen hat, genauso wie Charlie vor ihm. Bereits mit dem ersten Flash nach der Hatch Implosion damals hatte Desmond evtl. schon einen Ausflug dahin unternommen, oder halt durch die Zeit. Jetzt macht es seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Elektromagnetismus möglich beide Seiten zu sehen- das diesseits und das jenseits. Und deshalb hat Desmond auch keine Angst mehr vor dem Tod, weil er weiß, dass da eine andere Welt auf ihn wartet, in welcher er mit den Menschen glücklich vereint sein kann, welche ihm am meisten bedeuten. Jack kauft ihm die Nummer noch nicht ab, aber Desmond ist bereit, steigt die Quelle hinab und findet sich im Kern der Insel. Hier bündelt sich das Licht der Insel, all ihre magischen Kräfte. Und wenn man den Stöpsel zieht, dann sind die Kräfte flutsch und weg! So einfach kann und muss man es verstehen. Und was auch immer Desmond sicher durch das Ziehen des Stöpsel erhoffte- höchstwahrscheinlich eine Flucht von der Insel- es gelingt ihm nicht. Das Licht geht aus, die Hölle bricht sinnbildlich aus und Smocke scheint am Ziel seiner Träume. Doch mit einem entscheidenden Faktor hat er bei aller sonstigen Überlegenheit nicht gerechnet. Wenn die magischen Kräfte der Insel weg sind, dann auch die, welche Smokey bisher zu dem gemacht haben, was er war. Er ist nun nicht nur gefangen im Körper von John Locke, sondern auch sterblich. Sein Wunsch, am Ende wieder einen Körper zu haben, entpuppt sich als sein entscheidender Fehler. Die Apokalypse bricht mitsamt einem anständigen Monsunregen über die Insel herein und droht sie, im Meer zu versenken. Rette sich wer kann… Lapidus, Richard und Miles versuchen das Flugzeug so gut zu flicken, wie sie können, der Rest macht sich auf dem Weg dahin. Jack und der Mann in Schwarz rüsten sich zu einem finalen Showdown an den Klippen. Mann gegen Monster, aber die Chancen sind erstmals für beide gleich. Doch Jacobs Bruder bekommt seine Flucht nicht, am Ende rettet Kate Jack das Leben und erweist sich am Ende doch noch als überaus nützlich. Das Monster ist tot, aber die Insel damit noch nicht gerettet. Die Parteien trennen sich noch einmal und sagen ein finales Lebewohl.

Das neue Management übernimmt

Kate und Jack finden endlich zueinander und sehen sich dann vermutlich im nächsten Leben, Brother. Jack muss die Quelle wieder zum Laufen bringen, während der Rest zum Flugzeug unterwegs ist. Schwer verletzt schleppt sich Jack mit Hilfe von Hurley und Ben zur Quelle um dort seinem finalen Schicksal entgegen zutreten. Dafür wurde er ausgewählt. Jack kündigt seinen Job nach nicht mal einem Arbeitstag und gibt ihn an die Person weiter, welcher er am ehesten vertraut: Hurley! Die Aufgabe, die Jack erwartet ist eine ohne Wiederkehr. Hurley ist sich dessen bewusst. Es heißt Abschiednehmen. Desmond wird auch noch gerettet und in den wohlverdienten Feierabend geschickt. Die Insel ist nun fertig mit ihm und er kann sie verlassen. Lebendig vor allem. Jack wird dieses Schicksal nicht mehr zu Teil, er erreicht die Quelle, bringt sie wieder zum Laufen, rettet so die Insel und ermöglicht seinen Freunden die Flucht. Hurley und Ben bleiben als unfreiwillig zusammenarbeitendes Inselbeschützer-Dreamteam zurück. Spin-Off bitte erwünscht! Und das Flugzeug? Das hebt natürlich ab, denn wenn es einer schafft, diesen Vogel zu fliegen, dann Frank J. Lapidus. Sawyer, Kate und Claire schaffen es vorher auch noch an Bord. Sie sind nun frei und können sich um Aaron kümmern. Richard ist auch befreit, da er nun weiß, dass er sterblich ist. Das Leben beginnt oder geht weiter. Selbst wenn es schon längst vorbei ist.

Blinded by the light . . .

Die Grundfrage besteht, wann man akzeptiert, dass es weitergeht. Für alle Losties im Allgemeinen und für Jack Shephard im Speziellen. Die Frage, ob da noch etwas nach dem Tod kommt, beantwortet LOST für sich also mit einem klaren, lauten und hochemotionalen „Ja“. So laufen die Fäden im Jenseits nun endgültig zusammen. Es landen da sowieso alle, weil sie sich eine Welt geschaffen haben, in der sie mit den Menschen zusammen sein können, die ihnen wirklich etwas bedeutet haben. Und die Zeit auf der Insel ist die bedeutendste im Leben dieser Figuren gewesen. Deshalb trifft man sich nach dem Tod wieder. Reunion im Jenseits. Die Liebe macht es am Ende möglich. Letztendlich sind alle hier und miteinander verknüpft, ohne dass sie sich aneinander erinnern. Erst einschneidende emotionale Erlebnisse lassen ihre Erinnerungen aufblühen. Jemand, wie Desmond oder Charlie, welche die andere Seite gesehen haben, können nun davon zeugen und die Leute insofern manipulieren, dass sie sich ebenfalls an ihr Leben erinnern. Das ist Desmonds großer Masterplan. Die Leute sollen sich an alles was passierte, erinnern, um so eben davon loszulassen. Sie sollen akzeptieren, was sie hatten und haben und das es okay ist, wie es gelaufen ist. Sayid Jarrah muss sich von seinen Schuldgefühlen genauso befreien, wie ein geschundener John Locke. Das Schlechte, was ihnen in dieser Afterlife-Welt passiert, passiert nur, weil sie nicht loslassen und das Geschehene akzeptieren können. All das Kämpfen, all das Leid macht, wie Desmond es vor der Quelle schon feststellt, wenig Sinn. Alles was zählt, ist die gemeinsame Erinnerung und Liebe an dieser wichtige Zeit.

Die Reise geht weiter

Genauso ist es mit Jack Shephard, welcher dann ironischerweise im Finale am Längsten braucht, um zu erkennen, wo er sich befindet. Vater Christian hilft auf die Sprünge. Jack erinnert sich an das Leiden der Menschen und wie er versucht hat, ihnen zu helfen. Er schafft sich einen Sohn, den er nie hatte, um mit seinen Gefühlen fertig zu werden, um eine Rechtfertigung für alles zu finden. Doch nichts von dem ist von essentieller Bedeutung. Am Ende zieht die Karawane weiter, in was auch immer das als nächstes kommt. Christian Shephard geht voran und der Rest kann sich nun entscheiden, ob er loslässt und den Tod akzeptiert oder ob ihn, wie bspw. Ben, noch etwas in dieser, sagen wir mal, Zwischenwelt hält. Und es gibt sie so viele Möglichkeiten und Wege das Gesehene zu interpretieren. Dafür reichen gerade Zeit und Gedankenwindungen nicht aus. Mehr zum Finale und der Botschaft, welche sie uns gibt, in den nächsten Tagen an dieser Stelle. Für das erste zählt nur dieses Ende und die Erkenntnis, auch als Zuschauer langsam loszulassen von dieser fiktionalen TV-Welt. Aber ein wenig dran festhalten dürfen wir, denke ich durchaus noch. Und dies war nur ein Teil meiner Gedanken zum Serienfinale. Den Rest gibt es hier!

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